Presse

Pressemitteilung der Stadt Gotha 26.10.2007

Rosen für das Winterpalais

Mit Hilfe von über 200 Rosen haben zwei Ärzte eine erste erquickliche Summe für die Sanierung des Winterpalais zusammengebracht.

Dr. Beate Löwicke überbrachte gestern Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) einen Scheck über 2600 €. Dieses Geld kam bei der Eröffnung der Praxis von Frau Dr. Löwicke und Herrn Dr. Schultz am Ekhofplatz zusammen. "Wir haben unsere Gäste gebeten, uns keine Blumen mitzubringen, sondern gegen eine Spendefür das Winterpalais Rosen von uns mitzunehmen. Es ist uns wichtig, dass dieses Haus gerettet wird. Das Palais liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft" sagte Dr. Löwicke.

Das Winterpalais zu Gotha, ehemaliges Wohnhaus der Gothaer Herzogsfamilie und Aufenthaltsort von Queen Victoria sowie ihres Ehemannes Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha ist eines der besonders wertvollen Gebäude der Stadt. Direkt am Rande des Gothaer Schlossparks, neben der Orangerie gelegen, gehört das stark sanierungsbedürftige Haus zum herzoglichen Bauerbe Gothas.

Durch die Entschlusskraft des Stadtrates zu Gotha und den spontanen Einsatz von 50.000 € Haushaltsmitteln konnte der Einsturz des Gebäudes verhindert werden. Die Stadtverwaltung gab eine erste Planung für eine neue Stadtbibliothek in den Räumen in Auftrag. In den nächsten Monaten wird in den Ausschüssen des Stadtrates über den Weg dorthin beraten. Insgesamt sind mehr als drei Millionen  € notwendig, um das Palais der Nachwelt zu erhalten. Knut Kreuch sähe am liebsten den Sanierungsbeginn 2009.

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Gothaer Allgemeine 12.09.2007

Rangliste für die Denkmalarbeit

(...) Kreuch hat die Projekte der Stadt Gotha in der Denkmalarbeit klar definiert: An erster Stelle steht das Residenzstadtbad, gefolgt vom Museum der Natur bzw. Herzöglichem Museum, dem Winterpalais, dem Hofgärtnerhaus am Park und schließlich dem Bahnhof. (...)

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Thüringer Allgemeine 02.07.2007

Der Sturm auf das Winterpalais

Erfurter Fachhochschüler kommen einem bedrohten Gothaer Architekturensemble zu Hilfe

Seit der Erfurter Architekt Elmar Nolte sich vehement für den Erhalt des vom Abriss bedrohten Gothaer Winterpalais (1790) einsetzt, ist der Barockbau an der Friedrichsstraße im Gespräch. Englands Thronfolger Prinz Charles weiß ebenso von den Bemühungen um das Bauwerk wie Studenten der Erfurter Fachhochschule.

Im Fachbereich Architektur, in dem sich die Studierenden u. a. kreativ mit einer möglichen Zukunft der Defensionskaserne oder dem Eiermannbau von Apolda auseinandersetzen, widmen sich nun Kommilitonen des sechsten Semesters unter Leitung ihres Professors Michael Mann dem Winterpalais neben der Orangerie. Der auch als freier Architekt in Erfurt tätige Wissenschaftler erläuterte gegenüber dieser Zeitung: "Aufgabe der Sudenten ist es, sich in Entwürfen und Modellen mit diesem Bau als künftige Stadtbibliothek sowie den angrenzenden Freiflächen zum Park hin zu befassen. Dabei sollte der denkmalgeschützte Altbau durch einen entlastenden Neubau ergänzt werden." Schon die frühen Konzepte im Maßstab 1:200 sowie kleine Pappmodelle geben Nolte gar vielfältig recht: Hier kann sehr wohl ein klassischer Schlossbau saniert und muss keineswegs mehr abgerissen werden, wie einoffensichtlich eiliges Fachgutachten vorschlug.

Nun soll also dort, wo sich 1845 Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, dessen Gattin und Queen Victoria sowie Herzogin Caroline von Sachsen-Gotha Altenburg begegneten, eine benutzerfreundliche wie attraktive Stadtbibliothek einziehen. Kürzlich war dieses Areal mit Planen abgedeckt, hinter denen Handwerker das Dach und die Fassade notsicherten. Freilich: Ein desolater Seitenflügel musste weichen. Geht es etwa nach der Studentin Anna Lena Burkert, dann erhält die künftige Bibliothek einen sich auf der Wasserfläche spiegelnden Magazinraum aus Stahlbeton in Höhe der Traufzone des Palais und wird der bisherige Zugang zum Philosophenweg geschlossen. Hingegen stellt sich Nadin Hasel einen riegelartigen Glasbau aus Stahlbeton samt Café mit aufschiebbarer überdachter Terrasse vor. Während Thorsten Gewandt einen Stahlskelettbau mit angrenzenden Hofgarten sowie dem Hauptzugang vom Ekhofplatz für das neue Magazin vorschlägt. Zudem empfiehlt er einen separaten Eingang für die mögliche Ausstellungsgalerie von der Friedrichsstraße aus. Stefan Greiner wiederum würde einen Teil des Altbaus zum Philosophenweg wegreißen und dort einen relativ geschlossenen und nur nach einer Seite geöffneten Anbau angliedern, der die Sonnenenergie nutzt. Auf besonderes Interesse ihres Professors stießen Alexander Schunkes Glasfuge, Achim Kleins Tiefenmagazin mit versenkbaren Dächern oder Stephanie Zichardts Lesepavillon über dem Tiefenmagazin.

Nachdem die Diplomanden noch einmal ihre Ideen samt Grünraumkonzept überarbeitet haben werden, stellen sie sie am am 4. Juli ihre Endresultate vor und im Oktober sollen die Modelle auch in Gotha ausgestellt werden. Michael Mann: Wichtig ist uns vor allem, das das Gothaer Winterpalais im Gespräch bleibt und künftig niemand mehr auf den Gedanken kommt, das historische Ensemble abreißen zu wollen. (Wolfgang Leissling)

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Gothaer Allgemeine, 5./6.04.2007

Sicherung des Winterpalais hat begonnen

Mit noch verwertbaren Ziegeln wird das Dach des Gothaer Winterpalais repariert. Die Schlote werden abgetragen und alle Löcher dichtgemacht. Zudem soll das Mauerwerk an der Fassade durch Reparaturen an der Entwässerung geschützt werden. Bis Ende Mai werden die Sicherungsarbeiten dauern, die notwendig sind, damit das stark geschädigte Gebäude gerettet werden kann.

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TLZ Zeitung für Gotha, 04.04.2007

Freundeskreis in Gründung

Ein Freundeskreis für das Winterpalais befindet sich derzeit in Gründung. Ziel ist es, Freunde zu finden, die sich für das Haus einsetzen und dieses mit Spenden unterstützen (tlz).

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TLZ Zeitung für Gotha, 03.04.2007

Dienerflügel am Winterpalais abgerissen

Gerüste kündigen an, am Winterpalais tut sich etwas. Grund dafür ist, dass das undichte Dach des Winterpalais gesichert werden soll. Wie Stadtplanungsamtleiter Roland Adlich bestätigte, sollen Sicherungsarbeiten am Dach und Gebäude vorgenommen werden, um dem Verfall vorzubeugen. Die Stadt hat sich vor geraumer Zeit dazu bekannt, das Winterpalais zu behalten. Jahrelange Versuche, das Objekt an Investoren zu veräußern, waren fehlgeschlagen. Für die Dachsanierung wurden im Haushalt 50 000 € eingestellt. Derzeit sind Bauarbeiter dabei, den einstigen Dienerflügel abzureißen. Die dort abgenommenen Dachziegel werden für den vorderen Teil verwendet, um hier "Löcher" zu stopfen, erklärt Adlich. Der Amtsleiter geht davon aus, dass das Winterpalais 2008 saniert wird. Ist dies geschehen, dann soll vorerst die Stadtbibliothek dort einziehen. Die Stiftung Schlösser und Gärten plant eine Sanierung des Gesamtkomplexes Orangerie (tlz/cm).

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Gothaer Allgemeine, 24.03.2007

Sicherung beginnt am Winterpalais

Das Winterpalais in Gotha an der Friedrichstraße soll gerettet werden. Deshalb haben jetzt Sicherungsarbeiten begonnen. Der Dienerflügel, der später abgerissen werden soll, wurde eingerüstet, um zunächst von dort Ziegeln zu bergen. Dieses Material wird dann für Reparaturen am Dach des Hauptgebäudes verwendet, kündigte Gothas Bürgermeister und Baudezernent Werner Kukulenz (CDU) an. Die Schlote werden abgetragen und alle Löcher im Dach dicht gemacht, sagte er. Zudem soll das Mauerwerk an der Fassade durch Reparaturen an der Entwässerung geschützt werden. Bis Ende Mai werden die Sicherungsarbeiten dauern, so Kukulenz. Gutachten, die der Denkmalschutzbehörde vorliegen, sagen aus, dass die Bausubstanz zu 70 Prozent beschädigt ist. Wenn durch die Sicherungsarbeiten nun verhindert wird, dass weiter Nässe eindringt, kann das Gebäude gerettet werden. Der Erfurter Architekt Elmar Nolte macht sich dafür stark, hat der Stadt kostenlos ein Konzept erarbeitet. Perspektivisch könne das Gebäude nach erfolgter Sanierung ( die etwa drei Millionen Euro kosten würde (, für die Stadtbibliothek Heinrich Heine, die jetzt in einem Orangeriehaus untergebracht ist, genutzt werden (ck).

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Gothaer Allgemeine, 09.02.2007

Gothaer Winterpalais - ehrgeiziges Projekt

Seit zwölf Jahren gammelt das historische Winterpalais vor sich hin. Alle Verkaufsabsichten scheiterten. Erstmals gibt es ein hoffnungsvolles Konzept. Doch die Stadt muss es wollen. Der erste Schnee dieses Jahres überdeckte gestern das marode Dach des Winterpalais. Was schön aussieht, ist gefährlich. Nässe dringt ein, setzt dem geschundenen Bauwerk noch mehr zu. Gutachten, die der Denkmalschutzbehörde vorliegen, sagen aus, dass die Bausubstanz zu 70 % beschädigt ist. Das Haus ist zu retten, mit Schäden durch Hausschwamm habe man es bei alten Gebäuden fast immer zu tun, wichtig sei jetzt, das weitere Eindringen von Nässe vor allem durch das kaputte Dach zu verhindern, meint der Erfurter Architekt Elmar Nolte, der Anfang Februar der Gothaer Bauverwaltung ein Konzept auf den Tisch gelegt hat - zum Nulltarif. Seine Idee, nach einer Sanierung des im 18. Jahrhundert erbauten Gebäudes darin künftig die Stadtbibliothek "Heinrich Heine" gemeinsam mit der Kinderbibliothek unterzubringen, sie mit weiteren Angeboten inhaltlich gar zu einem kommunalen Medienzentrum auszubauen, findet Befürworter. Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) machte diese Variante bereits öffentlich, die stellvertretende Leiterin der Heine-Bibliothek, Christine Pätzold, begrüßt diesen Vorschlag, denn man sei schon lange auf der Suche nach adäquaten Räumen zur Orangerie: "Wir würden gern unsere Ideen einbringen." Von städtischer Seite wird allerdings immer betont: Erst müsse ein schlüssiges Nutzungskonzept her, dann könne über Geld nachgedacht werden. Aus Noltes Sicht ein falscher Ansatz: "Schauen sie sich andere Kulturdenkmäler an, die erhalten werden, auch wenn es primär keine Nutzung gibt. Sonst müssten etliche Kirchen schon abgerissen sein. "Positiver Nebeneffekt der neuen Pläne: Der Nordflügel der Orangerie würde mit dem Auszug der Bibliothek frei und der gesamte Orangeriekomplex nutzbar für die Unterbringung von Pflanzen, für kulturelle Zwecke und eventuell Gastronomie. Generell sinnvoll erscheint das auch der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten, in deren Besitz sich die Orangerie befindet. Finanziell von ihr zu leisten ist eine Sanierung des zweiten Flügels in absehbarer Zeit allerdings nicht. "Es eilt ja nicht, wenn die Bausubstanz des Winterpalais erst einmal gesichert ist, kann man weitere Schritt auch in zehn Jahren gehen", so Elmar Nolte. Dozenten und Studenten der Fachhochschule Erfurt und der Gothaer Bauschule konnte er für ein "Projekt Winterpalais" im kommenden Semester begeistern. "Dies ist jetzt möglich, weil das Palais begehbar ist, Stützen wurden eingebaut, die statische Sicherheit ist gegeben", so Architekt Nolte. Aus seiner Sicht müsste das Dach schnellstens repariert werden. Man könnte von dem nicht mehr benötigten zweiten Anbau die Ziegel nehmen und das Dach des Hauptgebäudes ausbessern. 50 000 Euro will die Stadt für die Sicherung des Winterpalais ausgeben. Die Sanierung würde rund drei Millionen Euro kosten, bei 60-prozentiger Förderung bliebe ein städtischer Anteil von 1,2 Millionen Euro. In der Perspektive würde die Stadt die Mietkosten für die Bibliothek sparen. Schaffen Stadtverwaltung und Stadtrat nach zwölf Jahren Stillstand beim Winterpalais ein Umdenken? Sehen sie die öffentliche Debatte als Chance, als Impulsgeber, nicht als Bedrängung? Gothas Chef-Denkmalpflegerin Sigrid Lehniger kann noch nicht abschätzen, in welche Richtung es geht. "Die Zeit haben wir gegen uns, der Gebäudezustand wird nicht besser. Das Winterpalais zu erhalten, wenn auch nahezu als Kopie - es wäre traumhaft." (Vera Dähnert)

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Gothaer Allgemeine, 07.02.2007

Sorgenkinder im Blickfeld

Der Verein für Stadtgeschichte und Altstadterhaltung Gotha blickte jetzt gemeinsam mit seinen Mitgliedern auf das Veranstaltungsjahr 2006 zurück und diskutierte aktuelle Probleme. Fast die Hälfte der insgesamt 64 Vereinsmitglieder fand zur Mitgliederversammlung den Weg ins Hotel zur Waldbahn".(...) Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung konnte als durchweg positiv eingeschätzt werden. So ist der Verein sowohl im Denkmalbeirat als auch im Kulturbeirat vertreten und wird zu stadtgeschichtlichen und denkmalpflegerischen Fragen zu Rate gezogen. Dazu zählt unter anderem auch das Winterpalais. Der Altstadtverein könne sich rühmen, zumindest im Hintergrund mit zu dem stattgefundenen Meinungsumschwung beigetragen zu haben, so Wenzel. Dies sei vor allem dem neuen Vereinsmitglied Elmar Nolte aus Erfurt zu danken, der sich seit Monaten mit großem persönlichem Engagement für den Erhalt des angeblich unrettbar verlorenen Gebäudes einsetzt. (tlz/mwe)

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Gothaer Allgemeine, 05.02.2007

Kontakt zu den Grünen in England - Spenden Aufruf zum Erhalt des Winterpalais - Gemälde in Schloss Windsor zeigt Gebäude

Was bürgerschaftliches Engagement in Gotha bewirken kann, zeigt die bald beginnende Sanierung der Orangerie. Immer mehr Stimmen werden laut, auch dem Winterpalais Aufmerksamkeit zu widmen. Der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen, der in der Vergangenheit den Erhalt des Winterpalais forderte und die von der Stadt vollzogene Abkehr von dessen Abrissplänen deshalb um so mehr begrüßt hat, hat sich nun an den Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) mit der Bitte gewandt, einen Spendenaufruf zum Erhalt des Gebäudes zu initiieren. "In Anbetracht des katastrophalen baulichen Zustande, indem sich das Palais befindet und der zu erwartenden hohen Sanierungskosten halten wir eine solche Maßname für ein geeignetes Instrument, die Öffentlichkeit wirkungsvoll zu mobilisieren", so Grünen-Sprecher Albrecht Loth. Damit könnte ein weiterer Impuls für den Erhalt dieses für das Gothaer Stadtbild und die dazugehörige Residenzstadtarchitektur unverzichtbaren Gebäudes gegeben werden. Als Verpflichtung sollte auch der Umstand gesehen werden, dass ein in Schloss Windsor hängendes Gemälde des Winterpalais dessen Stellenwert für das englische Königshaus mit seinen Gothaer Wurzeln eindrucksvoll symbolisiert, meint Loth Die damit hoffentlich angestoßene Bündelung aller sich für den Erhalt des Palais engagierten Kräfte sei nicht nur dringend notwendig, sondern könne auch erfolgreich sein, wie das Beispiel Orangerie eindrucksvoll beweis. Angesichts der engen geschichtlichen Verbindungen zwischen Gotha und Großbritannien will der Kreisverband diese Gelegenheit gleichzeitig nutzen, mit den englischen Grünen in Kontakt zu treten, um von ihnen bei passender Gelegenheit Vertreter auch in Gotha begrüßen zu können.

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Thüringer Allgemeine, 12.01.2007

Gothaer Winterpalais: Aufbau statt Abriss

Endlich einmal eine gute Denkmalschutz-Nachricht: Sie gilt dem 1828 als Witwensitz fertig gestellten Winterpalais in der Gothaer Friedrichstraße. Die Pläne des Stadtrats, die auf den Abriss des seit 1990 leer stehenden Gebäudes (TA berichtete) zielten, sind vom Tisch. Stattdessen gibt es nun Überlegungen, dass hier einmal die Stadtbibliothek einziehen könnte. Doch zuvor sind Notsicherungen vom Dach bis zu den Zimmerdecken vordringlich.

Dass man in Gotha wieder Hoffnung schöpfen darf, ist vor allem dem Architekten und Stadtplaner Elmar Nolte zu danken. Der Warburger lebt seit 1994 mit Familie in Erfurt, war immer wieder an diesem Ensemble vorbeigefahren und las eines Tages in dieser Zeitung, dass dem Palais das Aus drohte. "Ich bin ein Sanierer, kein Abreißer und verstehe nicht, dass man solch ein Haus über die Jahre verfallen lässt, da es doch Möglichkeiten gibt, es zu erhalten", bekräftigte er gegenüber TA. Spontan mobilisierte der Denkmalpfleger erfahrene Partner vom Gothaer Altstadtverein bis zum Vorsitzenden der Deutschen Burgenvereinigung. Derweil wandelten sich im Gothaer Rathaus mit dem Einzug des schon in Wechmar historisch so agilen Knut Kreuch als Oberbürgermeister die Auffassungen über dieses Palais. Eine Bürgerinitiative ward gegründet und eine Internetseite erstellt, auf der sich jeder noch so kleine Schritt zum Erhalt des Gebäudes nachvollziehen lässt. Nolte: "Man muss sich an die Öffentlichkeit wenden, sollte auch manche allzu vorsichtigen Fachgutachten hinterfragen und sich in den Fördermöglichkeiten der Denkmalpflege kundig machen." Gab es doch 2002 ein holzschutz- und bautechnisches Dossier, dass die Gebäudesubstanz wegen des andauernden Leerstands sowie des "Befalls von holzzerstörenden pflanzlichen (Pilzbefall) und tierischen (Insekten) Organismen" zu 80 Prozent als geschädigt einstufte und für einen "unvermeidlichen" Abriss plädierte. Vorangegangene Sicherungsmaßnahmen am Mauerwerk konnten den Verfall nicht verhindern, und Versuche, für die Immobilie einen Investor zu finden, scheiterten an den damals lebensfremden Nutzungsideen der Stadt. Man kann es nicht oft genug betonen: Diese auf einem Haus für den Hofmarschall von Frankenberg (1790) fußende herrschaftliche Villa nahe der Orangerie mit einst 38 beheizbaren Zimmern, 25 Kammern und Speisesaal ist ein für Thüringen bedeutsamer Ort. Er war Wohnung der Herzogin Caroline von Sachsen-Gotha-Altenburg, danach u. a. Staatsministerium, Künstleratelier, Zeitungssitz und Jugendclub. Auch ist es kein Wunder, dass Aquarelle des Palais sogar in der Royal Collection von Schloss Windsor aufbewahrt werden. Denn Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha - der spätere Gatte von Königin Victoria - besuchte hier wiederholt seine verwitwete Oma. Am 29. August 1845 begrüßte jene neben Albert auch die Queen Victoria in ihrem Winterpalais. Caroline verstarb hier 77-jährig im Jahre 1848.

Daher betont "der Mutmacher" Elmar Nolte nicht von ungefähr die Bindung über den Kanal als touristische Perspektive für dieses Anwesen. Er weiß sich mit Knut Kreuch einig, der die britische Königin nur allzu gern in Gotha begrüßen möchte - mit Abstecher im Winterpalais . . .Für den Oberbürgermeister gilt: "Wenn wir uns vom Erbe entfernen, nehmen wir uns die Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Derzeit arbeiten die Stiftungen an einem Konzept zur Kultur- und Depotsituation, und darin ist das Winterpalais mit einbezogen. Deshalb haben wir 50 000 Euro für Sofortmaßnahmen bereitgestellt." Auch Helmut-Eberhard Paulus, der Direktor der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, ist über die Mühen um den Witwensitz erfreut und kann sich "vorstellen, dass dort - befristet oder auf Dauer - Magazin oder Depots für die Museen der Stiftung Schloss Friedenstein, das Staatsarchiv oder die Forschungsbibliothek untergebracht werden". Denkbar wäre das Palais ebenso als Zwischenquartier für die Perthes-Sammlung, bis das Schloss saniert ist, oder auch der Einzug der Stadtbibliothek. Für Letztere hat Nolte bereits die Entwürfe vorliegen, die den Bau zum attraktiven Haus des Buches machen. Als Höhepunkt sollte für besondere Veranstaltungen ein Lesesaal in jenem Balkonzimmer eingerichtet werden, in dem noch einige Teile der eleganten Empiretapete verblieben sind.

Alles in allem würde die Sanierung drei Millionen Euro kosten, Gelder, die aus verschiedenen öffentlichen Fördertöpfen, von der Gothaer Kulturstiftung sowie von einzelnen Persönlichkeiten kommen könnten. Nolte gibt ein gutes Beispiel, indem er 10 000 Euro an honorarfreier Architektenleistung einbringt. Der von Gotha aufzunehmende Kredit dürfte zu verschmerzen sein, da die Stadt 30 000 Euro Miete in der Orangerie für die Bibliothek sparen kann. Ein Abriss des Komplexes für einen originalgetreuen Neubau aber würde Gotha aller Fördermittel für Stadtsanierung und Denkmalpflege berauben. Wenn der Stadtrat über seinen Schatten zu springen bereit ist und das Palais möglichst bald in jene jährlich zu erstellende Vorrangliste für Objekte aufnimmt, dann könnte das Palais schon vor 2016 wiedererstehen.  (Wolfgang Leissling)

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Rathauskurier Nr. 12/15. Jg., 17. 12. 2006

Gedanken zum Fest der Liebe...

Zur Weihnacht schweifen unsere Blicke zurück. Wir sehen noch einmal die Bilder des Jahres: den Fernseherfolg um die Orangerie, den Einsturz am  Winterpalais, den Gammelfleischskandal, aber auch der Straßenbau in allen Stadtteilen, die Wirtschaftserweiterungen in Gotha-Ost. (Knut Kreuch)

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Friedenskuss, Zeitschrift der Gothaer Kulturstiftung, Dez. 2006

Kennen Sie dass weltberühmte Winterpalais?

Die Stadt Gotha sucht nach Lösungen, das Haus von Queen Viktoria, das Haus einer glücklichen Kindheit des Prinzen Albert in Gotha zu erhalten. Helfen Sie mit! Oberbürgermeister Knut Kreuch ist für jede Idee dankbar. - unser Winterpalais-Telefon: 03621-222-278.

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TLZ Zeitung für Gotha, 22.11.2006 

Winterpalais bald Ausstellungshalle?

Dem drohenden Abriss des Winterpalais schoben Gothas Stadträte auf ihrer jüngsten Sitzung einen Riegel vor. Trotzdem gilt es nun zu überlegen, was aus dem Palais werden soll. Da akute Einsturzgefahr droht, veranlasste Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) sofortige Sicherungsmaßnahmen. So rückte am gestrigen Mittwoch eine Alperstedter Baufirma an, um mit Eisenträgern und Balken die Decken im Inneren des Winterpalais zu stabilisieren. Des Weiteren sollen Notreparaturen am Dach vorgenommen werden, kündigt Baudezernent Werner Kukulenz an. Ob das im Jahre 1790 erbaute Gebäude überhaupt noch zu retten ist, konnten weder Kreuch noch Kukulenz sagen. Fest steht, dass das Palais seit mehr als einem Jahrzehnt vernachlässigt wurde und der Hausschwamm sich großflächig ausgebreitet hat. Teilweise kam es im Haus bereits zu mehreren Deckeneinstürzen, bestätigte Stadtplaner Roland Adlich. "Nach wie vor sind wir aber bestrebt, das Haus zu erhalten, jedoch nicht um jeden Preis", sagt Bürgermeister Werner Kukulenz. Die Ideen, ein Pflegeheim oder gar Wohnungen hier zu etablieren, kommen weder für Kukulenz noch für OB Kreuch in Frage. Im Gegenteil: Das Stadtoberhaupt hat andere Nutzungsvorschläge parat. So verhandelt Kreuch derzeit mit der Schlösserstiftung und der Stiftung Schloss Friedenstein über eine gemeinsame Nutzung, die in Richtung Ausstellungshalle in Verbindung mit dem Bibliotheksgebäude hinausläuft. "Das Konzept muss allerdings schlüssig sein", sagt Kreuch. In Betracht gezogen werden müsse auch, dass für Kulturprojekte Landesfördermittel in Aussicht gestellt werden, doch nicht für Wohnungsbau. Diese Chance gilt es zu nutzen, so Kreuch. Seine Vorstellung: Ein zentrales Depot für die Museen zu schaffen, das von der Öffentlichkeit genutzt werden kann. Zwar nicht jeden Tag, doch auf Anfrage könnten Besucher den Restauratoren bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. "Das wäre in Thüringen einmalig", meint der Oberbürgermeister. Im Frühjahr 2007 soll eine Entscheidung über die weitere Zukunft des Winterpalais getroffen werden. (Conny Möller)

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Gothaer Allgemeine,  22.11.2006

Hoffnung für das Winterpalais

Die Nachricht schockiert zunächst: Ein aktuelles Gutachten, das seit dieser Woche vorliegt, bescheinigt dem Winterpalais einen schlechteren baulichen Zustand als bislang geglaubt. Dennoch ist nicht mehr ausschließlich vom Abriss des Gebäudes die Rede.

Eine dramatisch fortgeschrittene Zerstörung tragender Holzteile bescheinigt das neue Baugutachten dem Winterpalais in der Friedrichstraße. Das Vorgängergutachten stammt aus dem Jahr 2002, es wies schon damals auf den schlechten Zustand der Bausubstanz hin. Vier Jahre später sprechen Fachleute von akuter Einsturzgefahr. Dass dies nicht nur ein warnender Hinweise ist, bewiesen abstürzende Fassadenteile vor einigen Wochen. Seit Dienstag ist der Grünstreifen zwischen Winterpalais und Bürgersteig abgesperrt.50 000 Euro bringt die Stadt Gotha außerplanmäßig aus ihren Rücklagen auf, um das Winterpalais notdürftig zu sichern, das teilte OB Knut Kreuch dem Stadtrat mit. Außerdem soll das seit 15 Jahren leer stehende Haus entrümpelt werden. Nach so viel Dramatik dann die hoffnungsvolle Nachricht. "Wir sind einem Erhalt des Winterpalais näher als einem Abriss", so Kreuch. Die Städtebauförderung zeige sich nicht abgeneigt, Gelder zu geben, Freistaat und Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten würden einen Erhalt des Gebäudes unterstützen, wenn - und das ist Voraussetzung - die Stadt ein schlüssiges Nutzungskonzept vorlegen kann. Die Zeiten sind vorbei, in denen betreutes Wohnen oder Altenheim die einzigen Pläne gewesen sind. Investoren kamen und gingen. Am Ende fand sich niemand. Unter Knut Kreuch erwachen offensichtlich andere Ideen. Er sieht für den Komplex Winterpalais, Siebleber Wall und alte Ausstellungshalle eine "Gesamtlösung". Mehr ist öffentlich noch nicht im Gespräch. Dass ein zu erarbeitendes Nutzungskonzept im kulturellen Bereich angesiedelt sein könnte, wird nicht verneint. Und was benötigt Gotha dringend? Geeignete Räume, um die einzigartige Perthes-Sammlung endlich gebührend präsentieren und in geeigneter Form der Wissenschaft zugänglich zu machen. Dem Land Thüringen ist ebenfalls daran gelegen, denn es kaufte das Perthes-Archiv für Millionen Euro an, ist aber in punkto Räumlichkeit keinen Schritt weiter gekommen.Fast schon vergessen in der Öffentlichkeit sind die Pläne aus den Jahren 1996/97, als Stephan J. Perthes und ein Förderverein für ihr Projekt "Museum der Erde in Gotha" warben. Ein hochkarätiges Kolloquium "Faszination der Geografie" war eine erste Initialzündung, es fanden sich namhafte Befürworter, Gotha als Geografiestadt zu etablieren. Zehn Jahre später gibt es für diese Ideen vielleicht neue Ansätze.(Vera Dähnert)

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Rathauskurier Nr. 10/15. Jg., 22. 10. 2006

Bekanntmachung der Beschlüsse aus dem öffentlichen Teil der Stadtratssitzung vom 13.09.2006

B 358/06: Abriss Winterpalais: Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle zum Abriss de Winterpalais notwendigen Maßnahmen einzuleiten und er informiert darüber in einer Bürgerversammlung.

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Thüringer Allgemeine, 19.10.2006

Schwarze Schafe

Wenn die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten für heute zur Herbsttagung nach Weimar eingeladen hat, wird vor allem über Burgen zu sprechen sein. Die freilich gehörten bislang nicht zu jenen fünf bis 15 Denkmalen, die jährlich abgerissen werden. Das ist ein schmerzhafter Vorgang mit vielen Ursachen. (...) Das gilt ebenso für das Gothaer Winterpalais, das 216 Jahre lang die Stadt prägte. Der einstige Wohnsitz Caroline von Gotha-Altenburgs und spätere Quartier von Staatsministerium, Redaktion und Jugendclub wurde solange genutzt, bis es mit Bauschäden leer stand. Gothas Stadtverwaltung hatte auf einen illustren Investor gesetzt und die Realisten verprellt. Nun meinen große Teile des Stadtrats das Problem mit einem Abriss lösen zu können. In einer von Bürgermeister Klaus Exner unterzeichneten Vorlage heißt es: "Wenn der Abbruch durch die Stadt selbst vorgenommen wird, kann das dann beräumte Grundstück zu einem höheren Preis (Verkehrswert ca. 82 000 Euro) verkauft werden." Dies stützt sich auf ein 2002 in Auftrag gegebenes holzschutz- und bautechnisches Gutachten, nach dem "der Abriss des Winterpalais unvermeidlich" sei. "Stimmt nicht", protestiert der Architekt Elmar Nolte. "Ich habe das Palais vom Keller bis zum Dach erkundet und bin aufgrund meiner denkmalpflegerischen Erfahrungen u. a. in Erfurt zu dem Ergebnis gekommen, dass noch nicht alle Messen gelesen sind!" Das Palais sei "mit gutem Willen durchaus sanierungsfähig". Er empfiehlt nun die Bildung eines Förderkreises, dem dann Denkmalmittel aus Europa und dem Freistaat zugute kommen könnten. Für Sabine Ortmann vom Landesamt für Denkmalpflege bedarf es "zur Rettung eines aktuellen Nutzungskonzepts sowie eine Bauzustandsanalyse. Erst danach werden wir entscheiden können." Jedoch für den Abriss benötigt die Denkmalbehörde die Stellungnahme aus Erfurt. So hat das Winterpalais noch eine letzte Chance. (Wolfgang Leissling)

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Gothaer Allgemeine, 13.09.2006

Winterpalais: sein Abriss rückt näher

Eine Rettung des Winterpalais ist nicht mehr in Sicht. Mit ihrem gestrigen Beschluss läuteten die Gothaer Stadträte das Abrissgeschehen ein. Zuvor - das konnte die Fraktion der Linkspartei wenigstens noch erreichen - soll das Dilemma den Gothaern in einer Bürgerversammlung erklärt werden. Dem sichtlich genervten Baudezernenten Klaus Exner (CDU) passte es überhaupt nicht, dass in den vergangenen Tagen die Diskussion um das barocke Bauwerk derart hochgekocht war. "Nur Schwätzer melden sich zu Wort. Von all den Hinweisen, die ich bekommen habe, kann ich keinen einzigen gebrauchen", so Exner harsch. Er wollte zudem klarstellen, "der Beschluss beinhaltet nicht den Abriss, sondern die Vorbereitungen der Maßnahmen für einen Abriss". Was diese sprachliche Nuance an dem Fakt, dass das geschichtsträchtige Gebäude von der Bildfläche verschwindet, ändert, mögen Bürokraten verstehen; vielleicht auch Stadträte, die über Jahre mit zu dem Ruin des Palais beigetragen haben, weil sie sich von unrealistischen Plänen eines Spielbankhotels blenden ließen. Worin die Fehler der Vergangenheit lagen, davon war gestern nicht mehr die Rede. Gefahr ist im Verzug, weil das Gebäude einsturzgefährdet ist und weil sich partout kein Käufer gefunden hat - das sind heute die Fakten. Um Unmut unter den Gothaern entgegenzuwirken, soll in einer Bürgerversammlung über den aus Sicht der Verantwortlichen nicht abzuwendenden Abriss gesprochen werden. Der scheidende Baudezernent Exner und sein Nachfolger Kukulenz wollen daran teilnehmen. (Vera Dähnert)

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.2002

Not macht blind: Wie der Abriß von Denkmälern Zukunft verbaut: Gotha gibt seine Standortvorteile preis

Die Zeiten sind schlecht für die ostdeutschen Baudenkmäler. Die Wirtschaftsschwäche, die Finanznot und der Wohnungsleerstand, mit denen fast alle Städte in den neuen Ländern zu kämpfen haben lassen den Erhalt von Baudenkmälern zunehmend unbezahlbar erscheinen. Denkmalpfleger, die Schonung geschützter Bauten fordern, werden zunehmend als ewiggestrige Fortschrittsverhinderer oder realitätsferne Phantasten abgetan. Vergessen wird bei alledem, daß mit den Denkmälern oft auch wirtschaftliche Standortvorteile beseitigt werden. Ein drastisches Beispiel für den drohenden Verlust von Entwicklungschancen bietet sich im thüringischen Gotha. Schon bei einem ersten Rundgang beeindrucken die Potentiale der Stadt: Gleich hinter dem Bahnhof beginnt das einstige Finanzviertel, in dem sich die pompösen Neorenaissancepaläste ehemaliger Banken und Versicherungen reihen. Es folgt der Schlossbezirk mit den barocken Schlössern Friedenstein und Friedrichsthal, der Orangerie, dem neogotischen Marstall und dem Schlosspark, danach Bauten der Wissenschaft wie das Naturkundemuseum und die Sternwarte vom Jahr 1789. Die Altstadt schließlich birgt das Winterpalais, das Prinzenpalais, dazu barocke Ackerbürgerhöfe und historische Hotels. Unübersehbar freilich ist auch die Gefahr, die diesem Gesamtdenkmal droht. Zwar sind die beiden Schlösser gepflegt und werden etliche Versicherungspaläste von der Thüringer Steuerfachschule genutzt und instand gehalten. Anderswo jedoch regiert der Verfall. Der südliche Teil der Orangerie zum Beispiel erschreckt mit zugenagelten Fenstern, das reich dekorierte barocke "Landschaftshaus" am Markt steht seit Jahren leer, und die stolzen Ackerbürgerhöfe der Schwabhäuser Straße sind in schaurigem Zustand. Jetzt wogt sogar eine Abrissdiskussion um prominente Gebäude. Eines von ihnen ist das Winterpalais, das 1822 als Wohnsitz für die Herzogin Caroline errichtet wurde und später zum Gästehaus und Verlagshaus wurde. Seit dem Auszug des letzten Nutzers, eines Jugendklubs, im Jahr 1992 steht das im städtischen Eigentum befindliche Baudenkmal leer. In diesem Jahr meldete ein Investor Interesse an. Doch wollte er das denkmalgeschützte Gebäude nicht sanieren, sondern abreißen, um an seiner Stelle ein Altenpflegeheim zu errichten. Eine entsprechende Bauvoranfrage wurde von der Stadtverwaltung dennoch positiv beschieden. Mittlerweile ist es zwar ruhiger um den Investor geworden. Doch da der Verfall des Gebäudes mittlerweile katastrophale Züge angenommen hat, könnte schon bald akute Einsturzgefahr sein Ende besiegeln. Ähnlich ist die Situation des Prinzenpalais, das 1776 als Wohnpalast des Herzogs errichtet wurde. Bis zum Jahr 2000 diente das ebenfalls der Stadt gehörende Gebäude als Jugendherberge und Jugendklubhaus. Seitdem ist es verwaist. Auch hier stellte sich ein Investor mit Altenpflegeheim-Idee ein. Er wollte zwar den Kernbau erhalten, dafür aber das sogenannte "Kavalierhaus", in dem die Hofbediensteten wohnten, beseitigen. Auch dieses Vorhaben stieß auf das Wohlwollen der Stadtverwaltung. Der Barockbau des Hotels "Volkshaus zum Mohren", dessen Ursprünge in das Jahr 1644 zurückweichen, ist ebenfalls gefährdet. Das Haus, in dem schon Goethe und Napoleon logierten, steht seit 1990 leer und wird nach dem Konkurs mehrerer Besitzer zwangsverwaltet. Inzwischen haben der Verfall und eine Brandstiftung dem Gebäude dermaßen zugesetzt, daß Gothas Baudezernent Klaus Exner auch hier den Abriß für unvermeidlich hält. Diese Pläne sind in doppeltem Sinne verheerend. Denn mit ihrer Umsetzung würden nicht nur wertvolle Bauten, sondern auch Chancen verloren gehen, sind doch diese Denkmäler Träger einer zukunftsträchtigen wissenschaftlichen und kulturellen Tradition. Vor allem während des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, als Gotha Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha war, förderten die Regenten Wissenschaft und Kultur auf eine noch heute staunen machende fortschrittliche Weise. Sie etablierten Bildungsstätten und Forschungseinrichtungen, installierten 1775das erste feste Theaterensemble Deutschlands, finanzierten Forschungsreisen und Stipendien, bauten naturwissenschaftliche und künstlerische Sammlungen sowie Bibliotheken und holten Wissenschaftler und Künstler in die Stadt. So entwickelte Gotha sich zu einem Zentrum der geographischen und astronomischen Forschung, des Verlagswesens und der Finanzwirtschaft, in dem 1820 die erste Versicherung Deutschlands gegründet wurde. Zugleich entstand eine kartographische Sammlung, die noch heute zu den größten Europas zählt. In Gotha wurde also genau das verwirklicht, was Stadtforscher heute zur Stärkung der Städte fordern: die Etablierung einer innovativen Wissensgesellschaft. Heute hätte Gotha dank seiner erhaltenen Baustrukturen und Kulturschätze beste Chancen, sich zum Magneten für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zu entwickeln. Doch solange Kürzungen, Finanznöte und Sparprogramme die Politik bestimmen, wird die Entwicklung weiterhin diese Schätze ignorieren und Perspektivlosigkeit um sich greifen lassen. (Matthias Grünzig)

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TLZ Zeitung für Gotha, 13. und 20.07.2002

Die Geschichte des Winterpalais in der Friedrichstraße 2 

Das so genannte Winterpalais ist bekanntlich jüngst erneut in die Schlagzeilen geraten. Leider ging es nicht um einen endlich gefundenen Investor, der diesen geschichtsträchtigen Gebäudekomplex denkmalgerecht sanieren will, sondern um den drohenden Abriss und damit unwiederbringlichen Verlust eines weiteren Stückes der Gothaer Residenzgeschichte. Aus diesem Grund soll die mehr als 200-jährige Geschichte dieser einst herrschaftlichen Villa im Mittelpunkt der heutigen Betrachtung stehen.

Wer das genaue Baujahr erfahren will, findet in der Zeittafel des Gotha-Buches von Kurt Schmidt folgenden Eintrag unter der Jahreszahl 1828: Bau der Straße nach Reinhardsbrunn und des sog. „Winterpalais“. Die klassizistische Fassade scheint dies zu bestätigen. Andererseits suggeriert das Wort Bau einen scheinbaren Neubau. Dabei hatte das Gebäude damals schon eine beinahe vierzigjährige Vorgeschichte. Dass die Baugeschichte inzwischen nahezu lückenlos vorliegt ist vor allem den Nachforschungen des Gothaer Diplomrestaurators Stephan Keilwerth zu danken, der offiziell mit der Bestandsaufnahme beauftragt worden war und die Ergebnisse seiner Arbeit in einem mehr als 200-seitigen Gutachten zusammenstellte.

Danach hängen die Ursprünge dieses Gebäudes eng mit dem Bau der Orangerie zusammen, der 1747 durch den Oberlandbaumeister Gottfried Heinrich Krohne (1703-1756) begonnen, jedoch erst 1774 durch den Herzoglichen Baumeister Johann David Weidner (1721-1784) beendet wurde. Dazu gehörte auch das 1773 vollendete Haus des Hofgärtners in der jetzigen  Friedrichstraße 4. Auch damals muss es schon einige Gebäude in der Nachbarschaft gegeben haben, die wohl mit dem in unmittelbarer Nähe verlaufenden Siebleber Wall der Stadtbefestigung in Verbindung gestanden haben. Anstelle des heutigen Rathauses II stand seinerzeit noch das Siebleber Stadttor.

Als erster Eigentümer des Anwesens wird 1790 der Hofmarschall von Frankenberg erwähnt. Bei diesem handelte es sich nicht um den „Minister dreier Herzöge“ Sylvius von Frankenberg (1728-1815), der bereits als Besitzer des späteren Gustav-Freytag-Hauses in Siebleben in dieser Reihe vorgestellt worden war, sondern um dessen Cousin Eberhard Sylvius von Frankenberg. Dieser wurde am 14. Dezember 1731 in Ludwigsburg geboren und war zunächst Herzoglich Württembergischer Kammerherr. 1760 wurde er Kammerrat im Gothaer Kammerkollegium, bekam 1765 die Aufsicht über das Herzogliche Bauwesen übertragen, wurde 1767 zum Oberschenk ernannt und besorgte seit 1768 zusätzlich die Saalfeldischen Bergwerksangelegenheiten.

1770 wurde er Hofmarschall und schließlich 1788 Nachfolger des verstorbenen Oberhofmarschalls Hans Adam von Studnitz. In dieser gehobenen Position sah sich der beinahe 60-Jährige nach einem Alterssitz um und seine Wahl fiel auf das bereits beschriebene Terrain. In der Modellkammer des Schlossmuseums ist glücklicherweise das abgebildete Modell aus dieser Zeit erhalten geblieben. Es zeigt neben dem Hofgärtnerhaus (links) das Anwesen des 1795 zum Oberhofmarschall ernannten Eberhard von Frankenberg. Rechts ist bereits der zukünftige Mittelteil des Winterpalais mit etwas Fantasie erkennbar.

Frankenberg war mit Sophie Josepha (1754-1812), einer geborenen Reichsgräfin von Loeser, verheiratet. Die Ehe war offensichtlich kinderlos geblieben, so dass das Anwesen nach dem am 2. Oktober 1797 erfolgten Tod des Oberhofmarschalls in anderen Besitz übergegangen ist. Die weitere Geschichte schilderte 1824 der zu Unrecht nur als „zerstreuter Professor“ berühmt gewordene Johann Georg August Galletti (1750-1828) in seinem fünften Teil der „Geschichte und Beschreibung des Herzogthums Gotha“ wie folgt:

„Das ehemals an das Siebleber Thor anstoßende, von dem Oberhofmarschall von Franckenberg gebaute Haus stellt sich jetzt sehr vergrößert dar. Erst wurde zu der Zeit, als es die Kurfürstin von Hessen-Kassel, die Frau Mutter Ihro Hoheit der verwittweten Frau Herzogin (1806-1813) bewohnte, das zwischen demselben und der Wohnung des Hofgärtners befindliche kleine Haus (siehe Modell) zu seiner Erweiterung benutzt. Seit dem Tode des Herzogs August ist aber noch ein neuer Bau mit demselben in Verbindung gebracht worden, um ihm eine seiner jetzigen Bestimmung, der Herzogin Hoheit zum Winteraufenthalt zu dienen, angemessenere Einrichtung zu geben.“

Mit der Herzoginwitwe war die am 11. Juli 1771 in Hanau geborene zweite Tochter des Landgrafen Wilhelm IX. (seit 1803 Kurfürst Wilhelm I.) von Hessen-Kassel (1743-1821) gemeint. Ihre Mutter Wilhelmine Caroline (1747-1820) war eine Tochter des dänischen Königs Friedrich V. (1723-1766) und Louise (1724-1751), die wiederum eine Tochter des englischen Königs Georg II. (1683-1760) war. Am 24. April 1802 wurde Caroline Amalie die zweite Gemahlin des Erbprinzen, der seit 1804 als Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg regierte. Dessen erste Gattin Luise Charlotte aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin war 1801 22-jährig unmittelbar nach der Geburt der einzigen Tochter Louise gestorben.

Da Carolines Ehe kinderlos blieb, gab sie all ihre Liebe ihrer Stieftochter, die sie zum Teil sogar selbst erzogen hat. Mit ihrem sonderbaren, verschwenderischen und offensichtlich homosexuellen Gatten gab es keinerlei Berührungspunkte in den Lebensanschauungen. Frühzeitig entwickelte sie deshalb einen großen Wohltätigkeitssinn. Die durch die Napoleonischen Kriege hervorgerufenen Notzeiten boten reichlich Gelegenheit für Spenden.

Nach Louises Hochzeit (1817) mit dem Herzog Ernst III. (1784-1844) von Sachsen-Coburg-Saalfeld (seit 1826 Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha) und dem Tode des Gatten (1822) wurde sie eine wahre „Mutter der Notleidenden und Armen“. Sie begründete 1824 die seit 1828 nach ihr benannte Karolinenschule, in der unbemittelte Töchter nach der Konfirmation unterrichtet wurden, um später als Dienstboten arbeiten zu können. Die Karolinenstiftung gewährte jährlich 438 Mark für Armenzwecke und 300 Mark als Stipendien für Gymnasiasten.

Doch zurück zum Winterpalais: Da Carolines Eltern „in Folge der Invasion der französischen Heere in das Kurfürstenthum im Jahre 1806 das angestammte Land auf einige Jahre verlassen mussten, bis die Restauration des Kurfürsten i. J. 1813 erfolgte“, zogen sie zu ihrer Tochter nach Gotha und bewohnten den beschriebenen Vorgängerbau. Als Caroline zwischen 1820 und 1822 Mutter, Vater und Gatten verlor, war es höchstwahrscheinlich ihr eigener Wunsch, den vertrauten einstigen Wohnsitz ihrer Eltern zu ihrem Witwensitz ausbauen zu lassen.

Gallettis Beschreibung deckt sich somit mit dem „unterthänigen Bericht“ des Hofbauamts „betreffend den Anbau an das vormals von der Churfürstin von Hessen, Königl. Hoheit, bewohnte Haus an der Siebleber Barriere und dessen Einrichtung zum Wohngelaß der verwittweten Frau Herzogin Hoheit“ vom 8. August 1822. Um 38 anstelle der vorhandenen 24 beheizbaren Zimmer zu erhalten, machte sich ein umfangreicher Erweiterungsbau erforderlich. Ein Leben auf der Baustelle blieb der Witwe sicherlich erspart, denn im Sommer bewohnte sie das nahe gelegene Schloss Friedrichsthal. Bis 1826 erhielt somit das schnell als Witwen- oder Winterpalais bezeichnete Gebäude sein heutiges Aussehen mit der schlichten klassizistischen Fassade und dem Mansardendach.

Hier verbrachte die Herzoginwitwe nun ihren Lebensabend. Dieser brachte sowohl Freud als auch Leid mit sich. So bereitete ihr die Scheidung der geliebten Stieftochter (1826) und ihr früher Tod im Jahre 1831 tiefen Schmerz. Desto inniger liebte sie deren Söhne Ernst (1818-1893) und Albert (1819-1861), die wiederholt bei ihr zu Besuch weilten. Unmittelbar vor der Hochzeit mit der Königin Victoria von Großbritannien im Jahre 1840 schrieb ihr Albert einige dankbare Zeilen, und der Besuch des Königspaares in Gotha vom 29. August bis 3. September 1845 galt zunächst ihr. Die „Gothaische Zeitung“ schrieb darüber: „Der Einzug war eben so festlich als rührend, denn jeder Gothaner freute sich herzinnig des Glückes, dessen die hochverehrte edle Fürstin, die verwittwete Herzogin Carolina Amalia theilhaftig werden sollte, die erhabene Gemahlin Ihres heißgeliebten Enkels, des Prinzen Albrecht, in ihre mütterliche Arme zu schließen.“

Herzog Ernst II. (seit 1844) sagte später über seine Stiefgroßmutter: „Sie besaß in ihrem langen Leben kaum einen Feind und genoß bis an ihren Tod (...) eine wahrhaft seltene Verehrung.“ Ein anderer Zeitgenosse schrieb sehr zutreffend: „Sie war, was sie sein sollte, eine Fürstin: treu, ehrlich und von einer Wohltätigkeit, die aus dem Herzen kam.“ Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Platz neben dem Winterpalais schon zu ihren Lebzeiten ihren Namen erhielt. Außerdem hieß die spätere Friedrich-Jacobs-Straße auf dem Stadtplan von 1847 noch Carolinenstraße.

Am 22. Februar 1848 stand in der „Privilegirten Gothaischen Zeitung“ Folgendes: „Als am 14. des gegenwärtigen Monats Ihre Hoheit die verwittwete Herzogin v. S. Gotha und Altenburg von einem Brustleiden befallen wurde, hegten wir nur eine geringe Besorgniß, daß sie recht bald und glücklich beseitigt werden würde. Um so empfindlicher ist der Schmerz, um so tiefer die Trauer, daß so bald, so allzu früh die verstorbene Fürstin aus unserer Mitte geschieden ist. Ihre Hoheit endete ihr irdisches Dasein heute Nachmittag nach 2 Uhr.“

Die im 77. Lebensjahr stehende Caroline beendete ihr Leben im Winterpalais. „Was sie für unser Land war, glauben wir mit der von Aller Munde ausgesprochenen Ueberzeugung beweisen zu können, daß sie während der 46 Jahre ihres Hierseyns in der Beförderung und beharrlichen Fortführung nützlicher und wohlthätiger Unternehmungen, in steter Uebung unzähliger, allgemein und noch besonders gespendeter, Wohlthaten ihre Freude fand“, hieß es in einem der Nachrufe. „Die erhabene Verewigte hatte gewünscht, ohne Gepränge zu Grabe geleitet zu werden. Als sich heute ihre Zimmer noch einmal füllten, lag die Höchstselige noch im offnen Sarge, unter dem Baldachin, unter Kränzen und Blumen, in dem rings mit Blumen geschmückten Saale, wie gestern, als der Zutritt zu Ihr Allen, die Sie sehen wollten, noch einmal gestattet war.“

Am 27. Februar – dem darauffolgenden Sonntag – wurde Caroline als letztes Mitglied der herzoglichen Familie auf der Insel im Park beigesetzt. Dort ruhten bereits ihr Schwiegervater Ernst II. (1745-1804) und dessen vier Söhne. „Bei’m Eintritt durch das Hauptthor des Parks ließ sich die Melodie eines Chorals fernher vernehmen. An der nach der Insel geschlagenen Brücke ward der Sarg abgehoben und in die Gruft gebracht, in welcher der Leichnam des Herzogs August, des Gemahls Ihro Hoheit, seit 26 Jahren ruht.“

1848 war nicht nur das Todesjahr der Herzoginwitwe, sondern auch das Jahr der Bürgerlich-demokratischen Revolution in ganz Deutschland. Beide Ereignisse hatten unmittelbare Folgen für das weitere Schicksal des Winterpalais.

Zwei junge Gothaer Künstler, der Maler Ernst Jenichen (1822-1874) und der Bildhauer Eduard Wolfgang (1825-1874), schienen nur darauf gewartet zu haben, sich in dem verwaisten Gebäude einzumieten. Ihre Freude währte jedoch nicht lang, denn schon bald mussten sie „die ihnen überwiesenen Ateliers im Herzogl. Winterpalais“ auf „Allerhöchsten Befehl“ des Herzogs bis zum 1. September bzw. 1. Oktober 1850 räumen. Dies betraf auch die Wohnung von Amelie von Wangenheim (1797-1878), die als Staatsdame zum Hofstaat der Herzogin Alexandrine (1820-1904) gehörte.

Am 20. November 1850 ordnete Herzog Ernst II. (1818-1893) an, „in dem Winter-Palais zu Gotha die Mansarden-Zimmer, welche Unserem Staats-Minister von Seebach zur wohnlichen Benutzung mit überlassen worden sind, (...) unverzüglich mit Vorfenstern“ zu versehen. Mit Camillo Freiherr von Seebach (1808-1894) zog der war am 1. Dezember 1849 zum Staatsminister der beiden Herzogtümer Coburg und Gotha berufen worden.

Auch ihm blieb es nicht erspart, einige Zeit auf einer Baustelle zu leben. Dafür wurde sein Arbeitsplatz praktischerweise im Hause geschaffen. Laut Akte über „die Einrichtung des sog. Winterpalais allhier zum Ministerial-Gebäude“ kostete diese Maßnahme rund 371 Reichtaler „für Anschaffung der nothwendigsten Utensilien zum Geschäftsgebrauche“ und 807 Reichstaler „an Baukosten überhaupt“. Am 7. Juni 1851 hatte die Abgeordnetenversammlung diese Gelder aus Mitteln der Staatskasse bewilligt.

1855 veranlasste der Herzog die Neueindeckung des Winterpalais mit Schiefer sowie 1856, „daß im Ministerialgebäude in Gotha in dem zum Waschen bestimmten Raum ein Fußboden von Backsteinen gelegt und dafür die veranschlagte Summe von Zehn Thalern verausgabt werde“. Mit der Ende 1858 in Gotha eingeführten straßenweisen Nummerierung erhielt das „Herzogliche Ministerialgebäude“, das bisher „Vorm Siebleber Thor 1212a“ stand, seine heutige Adresse Friedrichstraße 2.

Im ehemaligen Winterpalais befand sich bis 1895 das Departement I des Herzoglichen Staatsministeriums sowie das Statistische Bureau. Von 1891 bis 1894 war hier auch die Landes-Brand-Versicherungsanstalt untergebracht. Der Zugang zu den Behörden geschah vom Karolinenplatz her, da der Haupteingang offensichtlich dem Staatsminister vorbehalten blieb. Ein weiter ständiger Bewohner war von 1880 bis 1904 der Staats- und Domänenkassendiener und spätere Ministerialbote Adolf Heß. Im bereits erwähnten Gutachten werden in den 1880er Jahren einige Militärs als Untermieter genannt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese im „ehemaligen Ministerialgebäude“ in der Friedrich-Jacobs-Straße 2 gewohnt haben.

Nachdem der im 80. Lebensjahr stehende Camillo von Seebach nach mehr als 38-jähriger Dienstzeit am 27. März 1888 in den Ruhestand getreten und in die damalige Reichsstraße gezogen war, zog sein Amtsnachfolger Gisbert von Bonin-Brettin in der Friedrichstraße 2 ein. Bei diesem handelte es sich um den am 6. Mai 1841 in Altenplathow bei Genthin geborenen Sohn des späteren preußischen Finanzministers Gustav von Bonin (1797-1878). Nach dem Besuch der Herrnhuter Anstalt zu Niesky, der Ritterakademie in Brandenburg sowie der Gymnasien in Stendal und Posen studierte er Jura und Kameralia in Greifswald, Heidelberg und Berlin. Da er Rittergutsbesitzer auf Brettin bei Genthin war, gab er sich wohl selbst den Doppelnamen.

Als promovierter Jurist trat er 1865 in den preußischen Staatsdienst und war unter anderem in der Königlichen Eisenbahndirektion sowie als Landrat in Grevenbroich im Regierungsbezirk Düsseldorf tätig. Im Preußischen Finanzministerium wurde er bereits nach einem Jahr 1882 zum Geheimen Finanz- und vortragender Rat ernannt. „Im März 1888 folgte er dem Rufe des Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha und trat als dirigierender Staatsminister an die Spitze des dortigen Staatsministeriums. 1891 wurde er seinem Antrag entsprechend in den vorläufigen Ruhestand versetzt, die Vertretung der Herzogtümer im Bundesrat ihm aber belassen.“ Bis zu seinem Tod am 14. März 1913 blieb er der „Stimmführende Bevollmächtigte des Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha im Bundesrat in Berlin“.

Der neue Staatsminister Carl Strenge (1843-1907) blieb in der Gartenstraße 21 wohnen, die übrigens auch bereits in der Villenreihe vorgestellt worden ist. Trotzdem fand sich für das Winterpalais auch diesmal wieder umgehend ein Nachmieter in der Gestalt des Königlich Württembergischen Premierleutnants im Ulanen-Regiment „König Wilhelm“ Nr. 20 und Rittergutsbesitzer Ernst Freiherr von Reinhardt (1862-1917). Dieser war laut Diplom vom 22. Juni 1891 „aus landesherrlicher Macht in den erblichen Freiherrenstand Unserer Lande“ aufgenommen worden. Sein Sohn Ernst Günther muss demnach am 20. Oktober 1892 im Winterpalais geboren sein. Doch auch Reinhardt hielt es nicht lange in Gotha.

1895 taucht die Superintendentenwitwe Caroline Seyfarth geb. Hellmann als neue Mieterin auf. Die 1823 in Ruhla geborene Kaufmanntochter hatte 1857 den dort als Aushilfe des Pfarrers tätigen frisch gebackenen Dr. phil. Heinrich Seyfarth (1828-1871) geheiratet, der schließlich 1866 Superintendent in Waltershausen wurde. Die beiden 1858 und 1860 in Zella geborenen Töchter Martha und Marie blieben unverheiratet und zogen 1896 ebenfalls ins Winterpalais. Dort eröffnete Marie Seyfarth ein Pensionat, in dem übrigens auch der Architekt Richard Klepzig von 1898 bis 1900 seine ersten Jahre in Gotha verbrachte. Ihn kennt der Leser als Bauherrn der Villa in der Lindenauallee 22 und als Architekten einiger anderer bereits vorgestellter Villen.

Die Seyfarth-Schwestern mussten sich 1900 nach einem anderen Domizil für ihr Pensionat umsehen. Ihre Wahl fiel auf das „Augustenburger Palais“ in der Lindenauallee 20, das auch bereits im Buch „Villen in Gotha (2)“ enthalten ist. Das Winterpalais wurde nämlich wieder einmal als Wohnsitz für einen Staatsminister gebraucht. In diese Zeit fielen deshalb umfangreiche Renovierungsarbeiten, wobei auch die Decken mit den originalen bauzeitlichen Tapeten abgehängt und mit Stuckdecken aus „Steinpappe“ verkleidet wurden. Dabei handelte es sich um billige, weil industriell vorgefertigte Platten aus Pappmaché.

1900 löste der am 15. August 1852 in Luckenwalde geborene Rechtsanwalt Otto Hentig den bisherigen, 1894 geadelten Staatsminister von Strenge ab. Obwohl auch Hentig gleich 1901 in den Adelsstand erhoben worden war, endete seine Tätigkeit in Gotha bereits 1905. Er arbeitete danach als Rechtsanwalt in Berlin, wo er 24. Januar 1934 verstarb. Nach drei Staatsministern folgte nun ein Oberhofmarschall. Der auf dem Rittergut Weilar im Kreis Eisenach geborene Fritz von Rüxleben (1860-1923) war von 1895 bis 1898 der persönliche Adjutant des bereits vor seinem Vater Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha (1844-1900) gestorbenen Erbprinzen Alfred (1874-1899) gewesen. 1899 wurde er Hofmarschall und schließlich 1901 Oberhofmarschall und Chef des Geheimen Kabinetts.

Nebenbei war er auch noch der oberste Leiter des Hoftheaters in Coburg und Gotha. Dadurch wurde sein in unmittelbarer Nähe des Theaters gelegener Gothaer Wohnsitz wieder im wahrsten Sinne des Wortes zum Winterpalais, denn während der Coburger Theatersaison im Sommer wohnte Rüxleben im dortigen Schloss Eichhof. Wiederum erblickte am 8. März 1908 ein Stammhalter namens Hans Siegfried das Licht der Welt im Gothaer Winterpalais. Noch bis 1918 wird der Oberhofmarschall im Gothaer Adressbuch geführt. Mit der Novemberrevolution und dem damit verbundenen Ende des Herzogtums änderte sich dies jedoch schlagartig.

Zwar blieb das Herzoglich Sachsen-Gothaische Gesamthaus auch weiterhin Besitzer des Gebäudes, die Mieter waren jedoch von nun an kaum noch Adlige. Im Adressbuch von 1919 werden die Witwe Berta sowie die Lehrerinnen Margarete und Martha Arend, der Hofkammersekretär Karl Braun, der Oberleutnant Hermann Dahlmann, der Kaufmann Adolf Pöhlmann sowie der Forstassessor Wolf von Wangenheim genannt. Außerdem hatten hier die Generalkasse, die Kriegsbeschädigten-Fürsorge und die Handwerkskammer ihren Sitz.

1931 werden unter der Adresse Friedrichstraße 2 das Einigungsamt für Miet- und Hypotheken-Angelegenheiten, die Tuberkulose-Fürsorgestelle, die Thür. Landessiedlungsgesellschaft, die Kleinsiedelungs-Gesellschaft Gotha, die Landessiedlungsgesellschaft Sachsen-Weimar-Eisenach sowie die Kreisbücherei erwähnt. Mit der 27. SS-Motorstandarte zog 1934 auch der nationalsozialistische Zeitgeist ins Winterpalais ein. Ihr und der 14. SS-Standarte galt am 5. Mai 1934 eine Besichtigung durch den „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler.

Mit dem 1937 erfolgten Einzug der Redaktion der seit 1932 erscheinenden nationalsozialistischen Tageszeitung „Gothaer Beobachter“ ins Erdgeschoss wurde die letzte Nutzung des Winterpalais eingeleitet. Damit im Zusammenhang stehen auch die im November 1937 im Auftrag der Bauabteilung, Außenstelle Gotha, der Herzoglich Sachsen Coburg Gotha’schen Hauptverwaltung beantragten baulichen Veränderungen im Erdgeschoss. Diese wurden am 21. Januar 1938 genehmigt. Daraufhin wurde die Fassadenrustika entfernt und statt dessen glatt geputzt, der Eingangsbereich und Balkonfenster im Obergeschoss verändert und der bis dahin vorhanden gewesene Balkon zur Hofseite hin beseitigt.

Aus dem „Gothaer Beobachter“ wurde schließlich die „Thüringer Gauzeitung“, die noch Anfang April 1945 den „Endsieg“ propagierte, als bereits der amerikanische Geschützdonner in Gotha zu hören war. Gleich nach dem Besatzungswechsel Anfang Juli 1945 wurde das Winterpalais Sitz der Zweigniederlassung Gotha der „Thüringer Volksverlag GmbH“. Von nun an erschien hier die kommunistische „Thüringer Volkszeitung“, die sich seit der SED-Zwangsvereinigung im April 1946 nur noch „Thüringer Volk“ („Thüringer Landeszeitung der SED“) und schließlich seit 1949 „Das Volk“ nannte. Gleich 1946 war auch die nach den drei Gothaer Herzögen benannte Friedrich- in Karl-Marx-Straße umbenannt worden. Der benachbarte Karolinenplatz überstand noch diese große Straßenumbenennungswelle. Der 80. Geburtstag Lenins war jedoch 1950 der willkommene Anlass für dessen „feierliche“ Umbenennung.

Der Thüringer Volksverlag ließ 1948 ein Lagergebäude mit Garage nach Plänen des Gothaer Architekten und Baumeisters Hans Pemsel anbauen sowie 1950 Betriebs- und Sozialräume zwischen dem Papierlager und der Druckerei einbauen. Danach wurde nur noch wenig für den Erhalt des Gebäudes getan. Deshalb zogen schon bald nach der Wende der Jugendklub (1991) und die Tageszeitung (1992) aus. Nach einigen ernstzunehmenden und einigen fadenscheinigen Kaufangeboten kamen die langen Jahre des vergeblichen Wartens auf eine Spielcasinoentscheidung zu Gunsten Gothas. Bei der am 23. April 1999 erfolgten Begehung waren alle Beteiligten noch zuversichtlich, dass eine Sanierung und Nutzung für altersgerechtes Wohnen noch möglich sei. Drei Jahre später scheint auch diese letzte Chance verspielt zu sein.

Angesichts der geschilderten Geschichtsträchtigkeit dieses Gebäudes kann es einfach nicht sein, dass solch ein Kleinod sang- und klanglos aus dem Gothaer Stadtbild verschwindet, um eine weitere schmerzliche Lücke in der Denkmallandschaft zu hinterlassen und womöglich sogar durch einen gesichts- und geschichtslosen Neubau ersetzt zu werden. Es sollte deshalb zumindest über eine Rekonstruktion der äußeren Gestalt ernstlich nachgedacht werden.

(Matthias Wenzel)